Die östliche Wildnis



Endlich wieder festes Land unter den Füßen. Nach über 8 Wochen Seereise mit einer gottverlassenen Flussfähre durch das Hinterland von Espandrola bist du am Ziel deiner Reise angekommen. Litrius. Dem letzten zivilisierten Außenposten vor der großen östlichen Wildnis.


„Du bist wohl neu hier?“, kannst du eine helle Stimme hinter dir hören. Du drehst dich um und siehst einen verdreckten Zwergenjungen den du etwa auf 6 Jahre schätzen würdest.


„Bist du hier für Arbeit oder Abenteuer?“, fragt der Junge weiter.


Du zuckst mit den Achseln.


„Ist ja auch egal nehme ich an“, sagt der Junge und kratzt sich unter der viel zu großen Baskenmütze. Dann zeigt er dir all seine Zahnlücken in einem breiten Grinsen und streckt seine kleine Hand in deine Richtung.


„Für einen Achtelpeso kann ich dich ein wenig herumführen. Du weißt schon dir die Sehenswürdigkeiten zeigen und so. Vielleicht auch die eine oder andere Ecke, wo man bei Nacht lieber nicht sein sollte.“


Du wühlst in deiner Tasche und machst eine kurze Umschlagsrechnung in deinem Kopf, während du die Münzen einzeln durch deine Finger gleiten lässt. Dann zuckst du wieder mit den Achseln und schnippst dem Jungen ein Achtelpesos-Stück entgegen, dass er geschickt aus der Luft fängt.


„Wohl nicht der Gesprächigste was? Na, macht ja nichts ich rede sowieso für uns zwei“, sagt der Junge, während er dir den Weg zeigt.


„Das ist der Hafen von Litrius. Kommt großteils Fisch und rafinierter magisches Erz durch. Und natürlich Glücksjäger.


Da drüben beginnt die Unterstadt. Hauptsächlich Schichtquartiere für die Arbeiter, Tavernen, Glücksspielhöhlen, Bordelle, Hehler.“


Der Junge biegt mit dir in eine weite gepflasterte Straße ein.


„Das ist die Hauptstraße von Litrius. Geht eigentlich durch die ganze Stadt von der Unterstadt in die Oberstadt und weiter bis zum großen Stadttor raus in die Wildnis. Aber dort hört sie ziemlich schnell auf, das kannst du mir glauben.“


Der Junge lacht über seinen eigenen Scherz, aber verstummt als er dein verständnisloses Gesicht sieht.


„Wegen der Ehoat’hel. Der Jaguare. Das sind die wilden Elfen hier in der Gegend. Die sind seit einigen Jahren mit Litrius auf Kriegsfuß. Seit Mercator der Schielende die Erzminen bis unter eine ihrer Steinpyramiden erweitert hat. Hat gedacht die Infanterie der heiligen Infanta reicht schon, um ihm die lästigen Elfen vom Hals zu halten, aber da hat er sich leider geschnitten. Keine Ahnung wie die Ehoat’hel das geschafft haben, aber da ist keiner mehr lebend zurückgekommen. Und wie später ein Vergeltungstrupp ausgesendet wurde, hat der nur mehr Tote gefunden. Angeblich sind allen die Herzen herausgeschnitten worden. Und wie sie die Leichen begraben wollten, sollen die wieder aufgestanden sein, um über die Lebenden herzufallen.“


Der Junge verstummt plötzlich und schüttelt den Kopf.


Dann zeigt er auf ein großes steinernes Gebäude, „das ist die Kirche der heiligen Infanta. Und dahinter sind die Baracken der Stadttruppen. Sind mächtig ausgebaut worden. Man kann jetzt nur mehr mit einem einheimischen Führer oder mit einer ordentlichen bewaffneten Eskorte in die Wildnis. Alles andere wäre Selbstmord. Und da drüben sind die Erzwerke. Die meisten Arbeiter in der Stadt arbeiten entweder in den Schmelzereien oder in den Minen vor der Stadt. Eigentlich alles. Zwerge, Elfen, Menschen, Orks, Halblinge. Hier gibt es keine Unterschiede. Solange man arbeiten kann, ist man in Litrius willkommen.“


Du schüttelst unmerklich den Kopf. Langsam hört sich der Junge immer mehr wie die Werber und Bauernfänger an, die in jeder größeren Stadt stehen und versuchen Arbeiter und Soldaten für die Erzminen von Litrius zu rekrutieren. Magisches Erz ist rar und solange Espandrola mit seinem Nachbarn Sachsia im Krieg ist, dürfen die Erzschmelzen niemals stillstehen.


Der Junge winkt dich weiter, „Dort drüben ist das magische Kolleg. Die meisten Artefakte aus dem Dschungel landen dort, um weiter untersucht zu werden. Vorausgesetzt es findet sich kein Käufer auf dem Schwarzmarkt.“ Wieder lacht der Junge, amüsiert über seinen eigenen Scherz.


„Und dort drüben beginnt die Oberstadt. Dort leben die meisten Adeligen und natürlich der Stadthalter Mercator persönlich. Dort gibt es eigentlich nichts von Interesse. Es sei denn man versteht sich auf Einbruch oder Raub. Dann ist das genau die Gegend, die man sich anschauen sollte. Aber aufpassen! Die Infanterie der heiligen Infanta patrouilliert dort Tag und Nacht. Und da vorne ist das Stadttor. Dahinter beginnt die östliche Wildnis. Na gut, ich mach mich mal auf den Weg. Danke für das Achtelpesos. Hoffe du findest was du suchst.“


Du nickst dem Jungen kurz zu und gehst dann vor bis zum Stadttor. Das unendliche grüne Meer dahinter ist erschreckend und faszinierend zu gleich. Wer weiß was dieser Dschungel für Schätze und Rätsel verbirgt. Nach der verrußten Luft in der Stadt ist die frische Waldluft wie Balsam. Du atmest tief ein und bist voller Zuversicht. Egal wie viele andere hier umgekommen sind. Du wirst dein Glück finden.